Richard Wagner – "Feuerzauber" aus "Die Walküre"
(14 Seiten, 10 €)
Für Anton Bruckner war Richard Wagner der bedeutendste Komponist seiner Zeit, der „Meister aller Meister“. Er zeigte jedoch weder Interesse an Wagners Textbüchern noch an den Inszenierungen seiner Musikdramen, er bewunderte ausschließlich die Musik Wagners, hier vor allem dessen harmonische Neuerungen, die Vorliebe für Akkordverbindungen, die bis in entlegene Tonarten reichten. Diese harmonischen Kühnheiten waren für Bruckner auch deshalb so faszinierend, weil sie oft dem widersprachen, was er zuvor in seinem intensiven sechsjährigen Harmonielehre - und Kontrapunkt - Studium (1856-1861) bei Simon Sechter in Wien gelernt hatte.
Wie verschiedene Berichte belegen saß Bruckner oft in der Wiener Oper, ohne den Inhalt der jeweiligen Musikdramen Wagners zu kennen. Auch die Technik der Leitmotive, Wagners spezielle Erfindung, um die Handlung durch wiederkehrende Motive musikalisch zu 'erläutern', war für Bruckner nicht von Bedeutung.
So wundert es nicht, wenn einzelne Motive aus Wagners Musikdramen ihren Nachhall in Bruckners Sinfonien fanden, oft als Assoziationen, gelegentlich auch als direkte Zitate. Und geradezu folgerichtig gehörte die Schlussszene aus der Walküre zu einem seiner Lieblingsstücke: In ihr versetzt Wotan seine Tochter Brünnhilde in einen tiefen Schlaf und schließt sie in einem Feuerring ein, den nur der zu durchschreiten vermag, der 'seines Speeres Spitze' nicht fürchtet. Wagner illustriert diese Handlung mit einigen seiner raffiniertesten Leitmotive.
Das zu Beginn in ruhigen Halbenoten erklingende Zauberschlafmotiv besteht aus einer absteigenden chromatischen Tonleiter, deren wechselnde Klänge keine harmonische Orientierung mehr zulassen. Den Feuergott Loge stellt Wagner in schnellen Sechzehntelpassagen dar, deren chromatische Sequenzen sich ebenfalls einer genauen Wahrnehmung entziehen. Und in der Mitte der Szene erklingt mit wachsender Intensität bis Feuerring zu durchschreiten vermag.
(Dr. Rudolf Innig)