Anton Bruckner - Marsch d-Moll (WAB 96) – Orchesterstücke (WAB 96+97) – Ouvertüre (WAB 98)

 

Bruckner Orch. stücke Ouv. Titelblatt

Bruckner Orch. stücke Ouv. Titelblatt

Bruckner Orch. stücke Ouv. Titelblatt

Bruckner Orch. stücke Ouv. Titelblatt

Bruckner Orch. stücke Ouv. Titelblatt

Bruckner Orch. stücke Ouv. Titelblatt

 

 

Während seiner Tätigkeit als Organist am Dom in Linz (1855-1868) lernte Anton Bruckner den zehn Jahre jüngeren Theaterkapellmeister Otto Kitzler (1834-1915) kennen, der ihm zwischen Dezember 1861 und Juli 1863 die entscheidenden Anregungen zur Komposition sinfonischer Orchesterwerke vermittelte...

Die hier als Orgeltranskription vorliegenden Orchesterstücke und die Ouvertüre g-Moll (WAB 96 bis 98) sind die frühesten Kompositionen Anton Bruckners für sinfonisches Orchester. Sie entstanden zwischen Oktober 1862 und Januar 1863 am Ende seiner Studien bei Otto Kitzler in der freien Komposition, die im Spätherbst 1861 mit einfachen Übungen zur Formenlehre begonnen hatten und mit der Komposition seiner ersten Sinfonie f-Moll (WAB 99) im Sommer 1863 endeten.

Der Marsch d-Moll (WAB 96) und die Drei Orchesterstücke (WAB 97) knüpfen an die ersten kurzen Stücke im Studienbuch an, in denen Bruckner die 'dreiteilige Liedform' als Möglichkeit der Erweiterung von Perioden kennengelernt hatte: Es sind kurze sinfonische Charakterstücke ohne inneren Zusammenhang.

 

Die Ouvertüre g-Moll, sein erster ausgedehnter Sonatensatz, gibt weitere aufschlussreiche Einblicke in Bruckners charakteristische sinfonische Formprinzipien: Zwar orientiert er sich an der traditionellen Sonatform (Bruckners Ausdruck in seinem Studienbuch), die er durch Otto Kitzler vor allem auf der Basis der Kompositionslehre von Johann Christian Lobe kennengelernt hatte (hier auch mit einer auf seinen Rat hin nachträglich entstandenen Langsamen Einleitung), aber abweichend davon zielt der Sonatensatz des bereits 38 Jahre alten Komponisten vor allem auf das Ende des Stückes, an dem das Hauptthema überraschend in neuer Klanggestalt erscheint...

 

Die hier als Orgelstücke vorliegenden Orchesterwerke Anton Bruckners eignen sich zwar hervorragend für ihre Darstellung auf der Orgel, Bruckner hat sie jedoch bewusst für das 'noch größere Instrument', das sinfonische Orchester geschrieben: Bereits nach seinem sechsjährigen 'Fernstudium' bei Simon Sechter in Wien in Harmonielehre und Kontrapunkt waren seine musikalischen Gedanken zu komplex geworden, um sie auf der Orgel auszudrücken.

 

(Dr. Rudolf Innig)

Anton Bruckner - Sinfonie c-Moll Nr. 1 (WAB 101)

 

Bruckner Orchesterstücke Nr. 3

c Moll Sinfonie 1. Satz

c Moll Sinfonie 2. Satz

c Moll Sinfonie 3. Satz

c Moll Sinfonie 4. Satz

(ca. 100 Seiten, 30  €)

Mit keiner anderen Sinfonie hat sich Anton Bruckner länger und intensiver beschäftigt als mit der Sinfonie c-Moll Nr. 1. Zwar begann er bald nach der positiven Resonanz auf die Aufführung seiner Messe d-Moll im November 1864 in Linz und aufgrund von Anregungen seines Förderers Moritz von Mayfeld Anfang 1865 mit den Skizzen zu einer neuen Sinfonie ('Linzer Fassung'),  beenden konnte er sie aber erst 16 Monate später, im April 1866. Seine erste viersätzige Sinfonie f-Moll, mit der im Juli 1863 seine Studien bei dem Linzer Theaterkapellmeister Otto Kitzler ihren Abschluss fanden, hatte er dagegen in nur fünf Monaten komponiert.

 

Die Sinfonie Nr. 1 c-Moll entspricht in vielen strukturellen Details der früheren Sinfonie f-Moll aus dem Jahre 1863. So hat der erste Satz erneut eine zweiteilige Sonatenform, die Bruckner als Sonatform in seinen Studien bei Otto Kitzler auf der Basis der Kompositionslehre von Johann Christian Lobe kennengelernt hatte.

Mit dieser Konzeption verbunden ist eine veränderte Dramaturgie des ganzen Kopfsatzes: Im marschartigen Hauptthema vermeidet Bruckner wiederum die für Beethoven und Brahms charakteristische Form des Themas als Vorder- und Nachsatz. Er ersetzt sie durch assoziativ miteinander verknüpfte Sequenzglieder, die von einem kontinuierlichen Rhythmus zusammengehalten werden, ein Verfahren, mit dem er sich später die heftige Kritik von Johannes Brahms zuziehen wird.("Er hat keine Ahnung von einer musikalischen Folgerichtigkeit, keine Idee von einem geordneten musikalischen Aufbau.“ in:Kalbeck, Max: Johannes Brahms - Biografie in vier Bänden. Berlin 1913, 3. Bd., 2. Halbband, Nachdruck: Hamburg 2013, S. 156)

 Auch hier hat die erweiterte Schlussgruppe zwei Themen, deren zweites (erneut) Assoziationen an die Tannhäuser-Aufführungen in Linz aus dem Jahre 1863 weckt, an denen Bruckner als Chordirigent des Pilgerchores aktiv beteiligt war. Auch der zweite Teil (Bruckner nennt Durchführung und Reprise - wie Joh. Chr. Lobe - 'Mittelsatzgruppen' und 'Repetition') entspricht in seiner Struktur der früheren Sinfonie f-Moll: Die verkürzte Reprise tritt nach einer Generalpause quasi durch die Hintertür ein, und sie mündet in die Coda, die nun zum dramatischen Höhepunkt und zum Ziel des ganzen Satzes wird.

 

 Das Adagio ist ein Satz von geradezu bestürzender Rigorosität, zu dem es eine fragmentarisch überlieferte erste Fassung mit der Form eines Sonatensatzes gibt. Diese anfängliche Idee hat Bruckner jedoch in der endgültigen Linzer Fassung zugunsten einer dreiteiligen Liedform(A-B-A) mit einem kontrastierenden Mittelteil im Dreivierteltakt aufgegeben.

 

Das Scherzo ist - wie bereits in der Sinfonie f-Moll - ein monothematischer Sonatensatz, in dem er erstmals die gesamten dynamischen Kräfte des sinfonischen Orchesters entfaltet, so dass der Eindruck entsteht, als würde der Komponist hier 'mit Felsen würfeln'. Das Trio mit seinem geheimnisvoll wirkenden Hornsolo und seiner ländlerhaften Orchesterlyrik weist voraus auf seine künftigen Sinfonien.

 

Das Finale, ebenfalls in Sonatenform, ist mit seinen fast 400 Takten nicht nur der längste Satz, sondern auch das Ziel der ganzen Sinfonie. Die verschiedenen rhythmischen und motivischen Rückbezüge auf die vorangegangenen drei Sätze wecken Zweifel an der These, Bruckner habe mit diesem Satz am Anfang des Jahres 1865 die Arbeit an der Sinfonie c-Moll Nr. 1 begonnen. Wie in der Sinfonie f-Moll wendet sich die Coda von c-Moll nach C-Dur, verbunden gegen Ende mit einer machtvollen Klangsteigerung.

 

Mit dem kecken Besen hab’ ich mich um kein Katz’ gekümmert, um keine Kritik und kein Publikum, komponiert wie’s mir grad gefallen hat, nicht um den Leuten zu gefallen, so äußerte sich Bruckner später zu seiner Sinfonie c-Moll Nr. 14. Sein kecker Besen hatte 1868 nicht nur das Publikum in der Provinzhauptstadt Linz erschreckt, auch 23 Jahre später fand die zweite Aufführung am 13. Dezember 1891 in Wien durch die Wiener Philharmoniker keine enthusiastische Zustimmung. Der Brahms-Biograph Max Kalbeck begann seine Rezension mit dem ironischen Satz: In Anton Bruckners erster Symphonie ist alles Inspiration und fast nichts Arbeit.

 

Am Ende des Bruckner-Jahres 2024 ist die Sinfonie c-Moll Nr. 1 erstaunlicherweise noch immer die am seltensten aufgeführte seiner (gezählten) Sinfonien.

(Dr. Rudolf Innig)

Weitere Informationen:  Rudolf Innig: Anton Bruckners Weg zum Symphoniker. Bielefeld 2023, 532 Seiten

(https://vpe-web.de/produkt/rudolf-innig-anton-bruckners-weg-zum-symphoniker#dearflip-df_437/31)

Anton Bruckner - Sinfonie d-Moll Nr. 1 (WAB 100)

 

Bruckner

Bruckner

Bruckner

Bruckner

Bruckner

 (ca. 90 Seiten, 30 €)

 

Anton Bruckners Sinfonie d-Moll ist natürlich nicht seine 'Nullte', auch wenn dieser unsinnige Sprachgebrauch im Jahre 2024 im Titel der Partitur der Bruckner Gesamtausgabe und in aktuellen Publikationen noch immer zu finden ist. Dabei gab es schon seit dem frühen 20. Jahrhundert Klarheit über die Entstehungsdaten dieser Sinfonie im Jahre 1869.

Die Verwirrung entstand durch Bruckners Bemerkung auf dem Titelblatt des Autographs und der Abschrift, die Sinfonie sei ungiltig, ergänzt durch das Annullierungszeichen Ø. Dies wurde später als 'Null' missverstanden, ein Irrtum, der sich in der vierbändigen Bruckner-Biografie von August Göllerich/Max Auer (1931-35) und der Partitur der Gesamtausgabe (1968) bis in die Gegenwart fortsetzte. Deshalb wundert es nicht, wenn die Sinfonie d-Moll erst 1924 anlässlich des 100sten Geburtstages von Anton Bruckner zum ersten Mal erklang und auch heute - 100 Jahre später - nur selten auf dem Spielplan der internationalen Orchester steht.

Mit einer sehr ungewöhnlichen Entscheidung hatte Anton Bruckner das Autograph seiner viersätzigen Sinfonie und ihre zwei Abschriften (jeweils etwa 200 handgeschriebene Seiten) als ungültig und 'nur als Versuch' erklärt. Was ihn zu diesem in der Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts einmaligen Schritt veranlasste, wird erst verständlich, wenn man seine persönliche Situation um das Jahr 1868 näher betrachtet...

 

In der Sinfonie lassen sich strukturelle Unterschiede in den Sätzen zwei und vier im Vergleich zu den beiden anderen Sätzen erkennen, die darauf schließen lassen, dass Bruckner hier auf bereits zuvor komponierte Sätze zurückgriff. Vermutlich sind sie zumindest in Form von Skizzen nicht erst im Jahr 1869 entstanden, sondern bereits vor der 1865/66 komponierten Sinfonie c-Moll Nr. 1. Während von der Sinfonie c-Moll Nr. 1 mehrere Skizzen und Fragmente erhalten sind, fehlen diese für Bruckners Arbeitsweise so charakteristischen Entwürfe bei bei der Sinfonie d-Moll...

 

(Dr. Rudolf Innig)

 

Anton Bruckner - Sinfonie f-Moll (WAB 99)

f Moll Sinfonie 1. Satz klein

f Moll Sinfonie 2. Satz klein99

Bruckner f Moll Sinfonie 3. Satz 1. Seite klein

f Moll Sinfonie 4.Satz Finale klein

(ca. 80 Seiten, 30 €)

 

Anders als heute war Anton Bruckner zu seiner Zeit nicht als Symphoniker, sondern vor allem als Organist bekannt. Mit 21 Jahren (1845) wurde er zum Stiftsorganisten im Augustinerkloster in St. Florian ernannt, wo er zuvor nach dem frühen Tod seines Vaters 1837 als Chorknabe aufgenommen worden war. Im Jahre 1855 wurde er Organist am Dom in Linz und schließlich 1869 mit dem Titel 'k.u.k. Hoforganist' in Wien.

Im Dezember 1861 nahm Bruckner bei dem 10 Jahre jüngeren Linzer Theaterkapellmeister Otto Kitzler weitere Studien in der freien Komposition auf, die ihm die entscheidenden Impulse zur Komposition sinfonischer Orchesterwerke vermittelten. Das erst 2014 veröffentliche Kitzler-Studienbuch zeichnet diese Entwicklung auf 326 Seiten mit handschriftlichen Übungen, Skizzen und Kompositionen Bruckners nach. Am Anfang standen (basierend auf den Kompositions- und Formenlehren von E. F. Richter, J. Chr. Lobe und A. B. Marx) Übungen im Periodenbau und der zwei- bzw. dreiteiligen Liedform. Es folgten Liedkompositionen, Variationssätze, eine Klaviersonate, ein Streichquartett und Studien zur Instrumentation anhand der Klaviersonate c-Moll op. 13 von Beethoven.

 

Der zweijährige Unterricht bei dem befreundeten Kitzler endete im Frühjahr 1863 mit Bruckners ersten sinfonischen Werken, den Orchesterstücken (WAB 96 und 97). der Ouvertüre g-Moll (WAB 98) und der Sinfonie f-Moll (WAB 99).

Hier die ersten Seiten der Sinfonie f-Moll in meiner Transkription für Orgel.

Weitere Informationen: Rudolf Innig: Anton Bruckners Weg zum Symphoniker, Bielefeld 2023  (https://vpe-web.de)