Programm
Felix Nowowiejski Sinfonie g-Moll op. 45 Nr. 2
(1877-1946)
Preludio festivo
Adagio
(Unter dem Kreuz der Marienkirche in Krakau)
Finale (Recitativo - Fuge)
Andante lamentabile op. 31 Nr. 1 (Dumka)
Sinfonie f-Moll op. 45 Nr. 9
Toccata (Con moto)
Scherzo (Allegro molto con fuoco)
Finale - Improvizazione
Gedanken zum Programm
Die zweite Sinfonie Sinfonie g - Moll ist gleichsam als musikalische Verneigung vor dem Kreuz der Marienkirche in Krakau konzipiert, Nowowiejski hat dem Notentext im Manuskript ein Bild des Kreuzes aus dieser Kirche vorangestellt. Das polnische Marienlied 'Nie opuszczajnas-Lass uns nicht allein' durchzieht dabei thematisch das ganze Werk und erfüllt es mit beeindruckender motivisch-thematischer Einheit wie brisanter Ausdruckskraft.
Im 'Preludio festivo' stehen sich -nach einer kurzen, spannungsvollen Einleitung- ein rhythmisch pointiertes Hauptthema in g-Moll (Fortissimo) und das Marienlied als Seitensatz (Piano) in der Paralleltonart B-Dur gegenüber. Aus diesen beiden Themen entwickelt Nowowiejski eine kompakten Sonatensatz von ebenso packender Motiverfindung wie von bestechend reicher und subtiler Verarbeitung.
Der zweite Satz Adagio con molto d' espressione trägt den Untertitel 'Unter dem Kreuz der Marienkirche in Krakau'. Der in seiner Form zweiteilige Satz (A A') beeindruckt durch seine avancierte Harmonik, die zum Teil an die Grenzen der Tonalität reichen.
Mit dunklen Klängen und aus dem Marienlied abgeleiteten Motiven, hebt der dritte Satz Recitativo wie aus einem Abgrund an. Er mündet in ein Fugen-Finale, in dem sich kontrapunktische Meisterschaft und große Virtuosität miteinander verbinden. Die Sinfonie schließt mit Zitaten des Hauptthemas aus dem ersten Satz wie auch des Marienliedes im 'Organo Pleno'.
Neben seinen neun Orgelsinfonien op. 45 komponierte Felix Nowowiejski eine Fülle kleinerer Werke, teils zu liturgischem, teils zu konzertantem Gebrauch. Das 'Andante lamentabile' op 31 Nr. 1 erschien 1931 in Leipzig mit dem Titel 'Dumka - Klagelied' im Druck. Auf dem Höhepunkt des Stückes zitiert Nowowiejski das Hauptthema aus seiner ersten Sinfonie a - Moll.
Die neunte Sinfonie f - Moll ist nach Nowowiejskis Aussagen 'Ludwig van Beethoven' gewidmet. Der Komponist erläuterte 1935 in einem Interview: "Während ich diese Symphonien komponierte, träumte ich immer davon, die neunte erreichen zu können. Ich habe sie den 'Schatten Beethovens' gewidmet und war mir der Verantwortung dieser Widmung bewusst. Man sagt, dass sich Beethoven mit seiner Sinfonie an Gott wandte, und wenn das so ist, wandte ich mich an die Mutter Gottes."
In Analogie zu Beethovens neunter Sinfonie erweitert Felix Nowowiejski im Finale den Klang der Orgel (fakultativ) um ein achtstimmiges Blechbläserensemble mit Pauken, das ein bekanntes polnisches Marienlied ('Bogurodzica'- Mutter Gottes') intoniert und mit der Orgel zusammen zu einem klanggewaltigen Finale führt. Wie in der zweiten Sinfonie wird die ganze Sinfonie durch dieses Marienlied motivisch zusammengehalten.
Der erste Satz Toccata deutet zunächst -quasi improvisierend- in virtuosen Passagen von avancierter Harmonik den Anfang des Liedes 'Bogurodzica' nur an, bis in der Mitte des Satzes dann erstmals die Anfangszeile klar erkennbar wird.
Auch das in der Orgelliteratur singuläre Scherzo in d - Moll knüpft mit seinem rasanten Tempo (Allegro molto con fuoco) und seiner kühnen Harmonik (vor allem im Trio) an Beethovens Vorbild an.
Im dritten Satz Improvizazione erklingt das Marienlied 'Bogurodzica' drei Mal im Wechsel zwischen kompaktem (Bläser-)Satz und 'improvisierenden' Orgelklängen. Im zweiten Abschnitt (Agitato) holt die Orgel zu einer virtuosen Kadenz aus, die in ein Fugato und brillante Passagen über dem Choral als 'Cantus firmus' im Pedal mündet. Am Ende steht das Marienlied in einer quasi ultimativen Apotheose: in vergrößerten Notenwerten, im 'Largo maestoso' und im 'Organo Pleno'. (Rudolf Innig)
Rudolf Innig
geb. 1947, studierte Orgel, Klavier, Kirchenmusik und Musikwissenschaft in Detmold, Köln und Paris. Er war Stipendiat der ′Studienstiftung des Deutschen Volkes′ und Preisträger verschiedener Wettbewerbe im Fach Orgel. Konzerte führten ihn in fast alle Länder Europas, nach Nordamerika, Japan und Korea.
Seine zahlreichen CD-Einspielungen wurden mit mehreren internationalen Schallplattenpreisen ausgezeichnet, u. a. 1999 mit dem ′Echo-Klassik-Preis′ für die Einspielung sämtlicher Orgelsinfonien von Felix Nowowiejski.
Rudolf Innig lebt seit 2011 nach langjähriger Tätigkeit als Leiter der Musikschule Coesfeld und Dozent an der Musikhochschule Detmold in Bielefeld (www.rudolf-innig.de).