Rheinberger, Josef Gabriel - Sämtliche Orgelwerke

Kritik von Dr. Aron Sayed, Classic.com, 10.01.2015

Orgelkosmos Rheinberger

Die Rheinberger-Box mit sämtlichen Orgelwerken, eingespielt von Rudolf Innig: fabelhaft.

Schon 2004 brachte Rudolf Innig seinen monumentalen Zyklus der Orgelwerke Josef Gabriel Rheinbergers (1839-1901) zum Abschluss. Rund zehn Jahre später bringt MDG die 12 CDs in einer Box gesammelt noch einmal heraus. Angesichts der immensen Bedeutung Rheinbergers für das 19. Jahrhundert sowohl als Komponist und Lehrer und die Zeit danach sowie für die Orgelromantik im deutschsprachigen Raum, braucht es dazu keine Begründung.

Liebhaber der Orgel wissen, dass die Werke des in Lichtenstein Geborenen nichts für nebenbei bzw. für den kirchlichen Weihnachtsmarkt sind. Doch wer bereit ist, sich auf die kontrapunktisch dichten, an Johann Sebastian Bach und Felix Mendelssohn geschulten zwanzig Orgelsonaten und die vielen kleineren Werkzyklen – Fughetten, Trios, Präludien, Charakterstücke, Monologe, Meditationen – einzulassen, darf die eine oder andere Überraschung erleben.

Innig spielt Rheinberger auf Instrumenten des 1864 gegründeten Schweizer Orgelbauunternehmens Kuhn und auf Instrumenten des deutschen Orgelbauers Eberhard Friedrich Walcker (1794-1872), womit er dem Klang der Rheinberger-Zeit gerecht werden möchte. Klangqualitativ beeindrucken die Aufnahmen dann auch immer wieder aufs Neue. Bei voll aufgezogenen Registern kann man den Orgelwind aus den Lautsprechern förmlich spüren. Aber auch die einzelnen Register der sechs verschiedenen Instrumente weisen von lieblich bis majestätisch eine enorme Bandbreite auf, die dank Innigs kongenialer Registrierung wunderbar zum Vorschein gelangt. Die Disposition der einzelnen Instrumente wird im Booklet aufgeführt, das ansonsten spärlich daherkommt. Für detaillierte Informationen sind dort unpraktischerweise die Downloadlinks zu den Booklets der einzeln veröffentlichten Teile des Zyklus hinterlegt. Das ist nett gemeint, aber unpraktisch. Es sei denn, man hat ein E-Book: Wer möchte die insgesamt 180 Seiten schon komplett ausdrucken und abheften? In den Booklets sind übrigens sogar Innigs Registrierungen jedes einzelnen Stücks aufgeführt.

Es braucht ein wenig Gewöhnung, um in Rheinbergers vermeintlich überladenen, überstrukturierten, ja teils sperrigen Orgelstil hineinzukommen. Dann aber öffnet sich der Himmel und ein ganzes Reich an Melodien, Klangfarben und Formen wird hörbar. Nur ein Beispiel hierfür ist die wunderschöne Passacaglia aus der e-Moll-Sonate op. 132. Nicht nur in den 'Meditationen' öffnet sich die strenge Polyphonie mehr als einmal hin in Richtung Frankreich. Hinzu kommt, dass das Orgelschaffen Rheinbergers die kompositorische Entwicklung vom Frühwerk des Zwölfjährigen bis zum Spätwerk des Professors an der Königlichen Münchner Musikhochschule widerspiegelt. Empfehlenswert ist diese Gesamteinspielung nicht zuletzt deswegen, weil er viele vormals unveröffentlichte Werke enthält.

Interpretation: *****
Klangqualität: *****
Repertoirewert: ****
Booklet: **

Label/Verlag: MDG