Evangelische Kirche Gleschendorf
- 30 Jahre Bruhn- Orgel -
Sonntag, 10. Mai 2015, 17.00 Uhr
Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel
- Ein musikalisches Gipfeltreffen -
Georg Friedrich Händel Orgelkonzert g-Moll op. 4 Nr. 1 (1735)
(1685–1759)
Larghetto
Allegro
Adagio
Andante
(Bearbeitung für Orgel Solo von Samuel de Lange, 1840–1911)
Johann Sebastian Bach Toccata und Fuge d - Moll BWV 565 (ca. 1703)
(1685-1750)
Georg Friedrich Händel Orgelkonzert F-Dur op. 4 Nr. 5 (1735)
(1685–1759)
Larghetto
Allegro
Alla Siciliana
Presto
Johann Sebastian Bach Concerto G - Dur BWV 592 (ca. 1713)
(1685-1750) nach einem Violinkonzert von Johann Ernst Prinz von Sachsen-Weimar
Allegro
Grave
Presto
Georg Friedrich Händel Orgelkonzert B-Dur op. 4 Nr. 6 (1735)
(1685–1759) Allegro
Larghetto
Allegro moderato
Rudolf Innig, Orgel
(www. rudolf-innig.de)
Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel
- Ein musikalisches Gipfeltreffen -
Fast wären sie sich wirklich begegnet: Im Juni 1719 erfuhr Johann Sebastian Bach, dass Händel -aus London kommend- im nahegelegenen Halle seine Eltern besuchte. Der Kapellmeister am Fürstenhof in Köthen machte sich sofort auf den Weg, um seinen berühmten Kollegen persönlich kennenzulernen. Aber als er dort eintraf, war Händel schon wieder abgereist. So berichtet es Johann Nikolaus Forkel seiner Biografie über J.S. Bach aus dem Jahre 1802.
Bach und Händel hatten Vieles gemeinsam, das Geburtsjahr zum Beispiel oder die Nähe ihrer Geburtsorte Eisenach und Halle, und gegen Ende ihres Lebens teilten beide das gleiche Schicksal, als sie erblindeten und vom gleichen Chirurgen operiert wurden, was bei beiden erfolglos war.
Aus unserer heutigen Sicht sind Bach und Händel die beiden ersten ganz großen 'deutschen' Musiker. Sie sind für uns Teil unserer nationalen kulturellen Identität, so wie Goethe und Schiller im Bereich der Literatur. Und mit zunehmendem zeitlichen Abstand stehen wir immer noch (oder vielleicht sogar immer mehr) staunend und bewundernd vor ihrem gewaltigen Schaffen: Bei J. S. Bach sind es allein 224 Kantaten und rund 250 Orgelwerke, bei G. F. Händel u.a. 42 Opern, 24 Oratorien und 16 Orgelkonzerte.
Ihre musikalischen Lebensläufe wie auch ihre Kompositionen sind hingegen denkbar verschieden: Während J. S. Bach als Kind einer 'Musikerfamilie' in der Tradition der mitteldeutschen evangelischen Kirchenmusik aufwuchs und schließlich eine der bedeutendsten Positionen der evangelischen Kirchenmusik, das Thomaskantorat in Leipzig innehatte, drängte es den Arztsohn G. F. Händel sehr bald aus Halle heraus, zunächst an die neu gegründete Oper in Hamburg, später nach Italien, wo er als Opernkomponist sehr erfolgreich war und schließlich in London zunächst mit seinen (italienischen) Opern, später mit seinen Oratorien zum berühmtesten Musiker seiner Zeit aufstieg. Er war der erste erfolgreiche 'freischaffende Künstler' in der Musikgeschichte, unabhängig von kirchlichen oder staatlichen Autoritäten noch vor der 'Aufklärung' und dem Entstehen der bürgerlichen Gesellschaft.
Mit seinen sechs Orgelkonzerten op. 4 verfolgte Georg Friedrich Händel im Jahre 1735 zwei Ziele: Zum einen waren sie Intermezzi für die Zuhörer in seinen langen Oratorien gedacht, andererseits wollte er seinen Ruf als einer der führenden Virtuosen in London festigen. Form und Stil dieser drei- bis viersätzigen Orgelkonzerte hatte er bereits früh während seines vierjährigen Aufenthaltes in Italien (1706–1710) kennengelernt. Zum größten Teil sind diese Konzerte übrigens Umarbeitungen eigener Orchesterwerke oder Instrumentalsonaten. Der Erfolg seiner Orgelkonzerte op. 4 war so groß, dass Händel bald eine weitere Sammlung von sechs Konzerten (op. 7) hinzufügte. Und am Ende des 18. Jh. waren seine Orgelkonzerte die am häufigsten gedruckten Werke überhaupt. Auch im 19. und 20. Jh. hielt die Begeisterung an: Mehrere englische und französische Komponisten schufen Fassungen für Orgel Solo dieser ursprünglich für Orgel und Orchester gedachten Konzerte. Die hier erklingende Bearbeitung der Konzerte g – Moll und B-Dur -aus meiner Sicht die interessanteste- stammt von dem holländischen Komponisten Samuel de Lange (1840 – 1911), der Händels Musik im Geiste des 19. Jh. mit virtuosen Passagen und kühnen Kadenzen 'anreicherte'.
Auch für Johann Sebastian Bach war es selbstverständlich, eigene Werke umzuarbeiten oder Werke anderer Komponisten zu bearbeiten. Die Solokonzerte von Antonio Vivaldi (1678 – 1741) wurden dabei für ihn zu einem Schlüsselerlebnis, das den Stil seiner eigenen Kompositionen entscheidend veränderte. Während seiner Zeit am Weimarer Hof (1708 – 1717) brachte ihm der junge Prinz Johann Ernst mehrfach Partituren neuer Orchesterwerke von seinen Auslandsreisen mit. Für J. S. Bach, der bis dahin vor allem die nord– und mitteldeutsche Orgelmusiktradition kennengelernt hatte und nie selbst im Ausland war, brachten insbesondere die Konzerte Vivaldis mit ihren mehrsätzigen Formstrukturen eine so faszinierende Entdeckung, dass er einige von ihnen für Orgel Solo oder als Cembalokonzerte (zum familiären Gebrauch) umschrieb. Ähnlich ist es mit dem hier erklingenden Concerto G-Dur nach einem Violinkonzert seines Kompositionsschülers Johann Ernst Prinz zu Sachsen-Weimar. Aufgrund der Genialität des 'Bearbeiters' entstand dabei eine neue Komposition, die als Bach–Werk–Verzeichnis Nr. 592 heute bekannter ist als das Original des Komponisten. (www.rudolf-innig.de)