Drei Präludien und FugenFranz Lachner - Drei Präludien und Fugen

Als Franz Lachner seine drei Orgelsonaten op. 175, 176 und 177 im Jahre 1877 veröffentlichte, war er bereits über 70 Jahre alt. Ähnlich wie Felix Mendelssohn, der die Gattung der Orgelsonate im Jahre 1845 mit seinen Sechs Orgelsonaten op. 65 begründet hatte, griff Lachner in seinen Orgelsonaten f-Moll, C-Dur und e-Moll, die er gleichzeitig auch als Fassung für Klavier zu vier Händen im Druck erscheinen ließ, auf bereits zuvor komponierte Orgelstücke zurück. Aus einer Sammlung von Sechs Präludien und Fugen (1855/56) sowie drei Präludien (1868) stellte er seine drei Sonaten in ihrer endgültigen Form zusammen und fügte (ebenfalls wie Mendelssohn) im Laufe des Entstehungsprozesses einzelne neue Sätze hinzu.

Die hier vorliegenden Präludien und Fugen E-Dur und F-Dur gehören als Nr. 9 bis 12 zu den Sechs Präludien und Fugen aus den Jahren 1855 und 1856, fanden aber bis auf Nr. 11 später keinen Eingang in die Sonaten und blieben bislang unveröffentlicht. Die Autographe befinden sich als Mus. Mss. 5810 in der Bayerischen Staatsbibliothek in München. Aus der Nummerierung der einzelnen Stücke ergibt sich, dass Andante con moto (Nr. 9) und die Fuge e-Moll (Nr. 10) ursprünglich eine Einheit als Präludium und Fuge bildeten, so wie die Fuge F-Dur (Nr. 12) zu dem Andante con moto f-Moll als Nr. 11 gehörte, das später als Schlusssatz in die Sonate f-Moll op. 175 Eingang fand. Präludium und Fuge h-Moll wurde hingegen in einem Mozart-Album im Auftrag des Mozart-Vereines in Gotha vom Verlag Kahnt in Leipzig veröffentlicht. Vermutlich erschien dieser Band im Jahre 1856 aus Anlass des 100. Geburtstages von W. A. Mozart. Dafür spricht auch, dass Franz Lachner in dieser Zeit an den Sechs Präludien und Fugen arbeitete.

Im Originaldruck der Orgelsonaten von Franz Lachner fällt auf, dass die Angaben zur Registrierung fast identisch sind mit denen von Felix Mendelssohn in dessen Orgelwerken. Und es verwundert nicht, dass Lachners (einziger) 'Meisterschüler' Josef Gabriel Rheinberger die gleichen Angaben in seinen zwanzig Orgelsonaten übernahm.

Ganz gewiss haben die drei Orgelsonaten von Franz Lachner wie auch die hier vorliegenden, bislang unveröffentlichten drei Präludien und Fugen mehr Beachtung verdient. Es sind Charakterstücke für Orgel von großer Originalität und satztechnischer Meisterschaft, die den Vergleich mit ähnlichen Stücken von Rheinberger oder Reger nicht zu scheuen brauchen.

Mein Interesse an der Orgelmusik von Franz Lachner (vgl. meine Einspielung MDG 317 1487-2) entstand im Zusammenhang mit meiner Einspielung sämtlicher Orgelwerke von Josef Gabriel Rheinberger in den Jahren von 1998 bis 2005. Damals stellte sich mir die Frage, wer Rheinbergers Kompositionslehrer Franz Lachner war und warum die in Vaduz lebenden Eltern (der Vater war 'Finanzminister' des Fürstentums Liechtenstein) ihr 'Wunderkind' Josef Gabriel 1851 im Alter von zwölf Jahren gerade dem vielbeschäftigten Generalmusikdirektor der Hofoper in München anvertrauten. Dies ist umso erstaunlicher, da Franz Lachner an keinem öffentlichen Konservatorium tätig war und der junge Rheinberger nur privat Kompositionsunterricht bei ihm nehmen konnte.

Der heute weitgehend vergessene Franz Lachner wurde 1823 als Zwanzigjähriger zum Organisten an der evangelischen Kirche in Wien gewählt und war dort ein enger Freund von Franz Schubert. Später stieg er zum Ersten Kapellmeister der Wiener Hofoper auf und prägte ab 1836 eine Generation lang das Musikleben in München. Nicht nur als Dirigent, sondern auch als Komponist von Sinfonien, Opern und Kammermusik war Franz Lachner weithin bekannt.

Die Darstellung dieser Stücke auf der Orgel im vorliegenden Notentext geht von einem dreimanualigen Instrument mit einem Schwellwerk und möglichst mehreren Kombinationen aus. Dem entsprechen im Text die Angaben zur Manualverteilung (HW, POS, SW), den dynamischen Bezeichnungen (vom pp bis zum ff) sowie zur Benutzung des Schwellers (< bzw. >), die aber sinngemäß auf das jeweilige, individuelle Instrument übertragen werden können.

Bielefeld, im Oktober 2015 Rudolf Innig