Marktkirche Hannover
Samstag, 30. März 2019, 18.00 Uhr
Programm
Anton Bruckner Ouvertüre g-Moll (1863)
(1824-1896) Transkription für Orgel von Rudolf Innig (2018)
Franz Liszt 'Orpheus'
(1811-1886) Sinfonische Dichtung für Orgel (1859)
Anton Bruckner Sinfonie f-Moll (1863)
(1824-1896) Transkription für Orgel von Rudolf Innig (2018)
Allegro molto vivace
Andante molto
Schnell
Allegro
Rudolf Innig, Orgel
(www.rudolf-innig.de)
Gedanken zur Musik
Anders als heute war Anton Bruckner war zu seiner Zeit nicht als 'Symphoniker', sondern als Organist bekannt. Seit seinem 21. Lebensjahr (1845) war er als Organist tätig, zunächst im Augustiner-Stift in St. Florian, (wo er nach dem frühen Tod seines Vaters 1837 als Chorknabe aufgenommen worden war), ab 1855 am Dom in Linz und schließlich ab 1869 mit dem Titel 'k.u.k. Hoforganist' in Wien. Internationale Anerkennung erlangte er durch seine Improvisationskunst auf der Orgel. Umso erstaunlicher ist es, dass Anton Bruckner im Vergleich zu anderen bedeutenden Komponisten, die Orgel spielten oder auch Organisten waren (Mendelssohn, Rheinberger, Franck, Fauré u.a.) nur einige wenige, marginale Stücke für 'sein' Instrument schrieb. Wahrscheinlich wäre er heute der bedeutendste Komponist sinfonischer Orgelmusik des 19. Jh. im deutschsprachigen Raum, wenn er seine monumentalen Sinfonien nicht für Orchester, sondern für Orgel geschrieben hätte. Interessanterweise mehren sich in den letzten Jahren die Versuche, Bruckners sinfonische Werke auf der Orgel darzustellen, zumal diese ihren vom Orgelspiel und Orgelklang her inspirierten Schöpfer nicht verleugnen können.
Bis zu seiner Berufung als Organist am Dom in Linz hatte Bruckner in St. Florian bereits zahlreiche Werke geistlicher Musik komponiert, u.a. ein Magnificat, ein Requiem und eine Missa solemnis, alle für Soli, Chor und Orchester. Im Jahre 1855 begann er neben seiner zeitintensiven Organistentätigkeit ein 'Fernstudium' in Harmonielehre und Kontrapunkt bei dem angesehenen Wiener Theoretiker Simon Sechter, das insgesamt sechs Jahre dauerte. In Linz lernte Bruckner dann den 10 Jahre jüngeren Kapellmeister Otto Kitzler kennen, der ihm die entscheidenden Impulse in der 'freien Komposition' sinfonischer Orchesterwerke vermittelte. Basierend auf der Formenlehre von E. F. Richter (1852) ging es im Unterricht bei Kitzler zunächst um Übungen im Periodenbau (zwei- und dreiteilige Liedform). Es folgten Liedkompositionen, das Anfertigen von Variationssätzen, eines Streichquartettes, Studien zur Instrumentation (anhand der Klaviersonate c-Moll op. 13 von Beethoven) sowie erste kleine Orchesterstücke (WAB 96 und 97). Der knapp zweijährige Unterricht bei dem befreundeten Kitzler endete im Frühjahr 1863 mit der Ouvertüre g-Moll (WAB 98) und der Sinfonie f-Moll (WAB 99), Bruckners ersten Werken für großes Sinfonieorchester. Kitzler hielt die f-Moll Sinfonie -wie er in seinen Memoiren schreibt- für nicht besonders inspiriert, worüber Bruckner begreiflicherweise enttäuscht war. Dennoch bemühte er sich mehrere Jahre lang (wenngleich vergeblich) um eine Aufführung. Später gliederte er sie (wie auch die d-Moll Sinfonie aus dem Jahre 1869) aus der Reihe seiner gezählten Sinfonien aus und bezeichnete sie als Schularbeit. Im heutigen Musikleben finden Bruckners frühe sinfonische Werke einschließlich der annullierten zweiten Sinfonie (1869) kaum Beachtung.
Bei unvoreingenommener Betrachtung zeigen sie jedoch die souveräne Beherrschung des kompositorischen Handwerks durch den bereits 39jährigen Komponisten, Bruckners eigene musikalische Sprache ist hier voll entwickelt. Das gilt für den ausdrucksvollen zweiten Satz ebenso wie für das Scherzo, in denen der Komponist bereits 'mit Felsen würfelt'. Die Ecksätze der Sinfonie, ausgedehnte Sonatensätze (in der Ouvertüre mit langsamer Einleitung), geben interessante Einblicke in Bruckners von der Tradition abweichende Formprinzipien und sein von der Orgelmusik her geprägtes kompositorisches Denken. An die Stelle 'motivischer Arbeit' tritt bei ihm die Tendenz, Motive durch Sequenzierung weiter zu führen, meist in Verbindung mit terrassenförmig angelegten Steigerungen (im Sinne von Manualwechseln). Von der Orgelimprovisation her stammt auch seine Vorliebe für ausgedehnte Orgelpunkte, die ebenfalls mit einer Intensivierung, aber auch mit einer Beruhigung der Musik verbunden sein können. Bruckners Sinfonien haben vor allem von Anfang an einen ausgeprägten Finalcharakter. So ist die f-Moll Sinfonie ausgerichtet auf das nach F-Dur gewendete Stretta-Finale, in dem Bruckner einen choralartigen Gedanken aus seiner d-Moll Messe zitiert. Auch die unvollendet gebliebene neunte Sinfonie d-Moll sollte mit einem Zitat aus dieser Messe schließen.
Fast zeitgleich mit den beiden Werken von Anton Bruckner entstand die Orgelfassung der Sinfonischen Dichtung Orpheus, die Franz Liszt im Jahre 1859 in Zusammenarbeit mit dem Weimarer Hoforganisten Alexander W. Gottschalg veröffentlichte. Als Weimarer Kapellmeister hatte Liszt im Februar 1854 die Oper Orpheus und Eurydike von Christoph W. Gluck aufgeführt, nicht ohne für damals 'zeitgemäße' Aufführungen eine Einleitung und eine Schlussmusik hinzu zu komponieren. Daraus ging im Jahre 1856 seine (vierte) Sinfonische Dichtung Orpheus hervor. Während Gluck in seiner Oper Orpheus als trauernden Gatten darstellte, verstand Liszt die alte griechische Orpheus-Sage als Symbol für die Kunst schlechthin: Im Vorwort zur Sinfonischen Dichtung schreibt er: "Heute wie ehemals und immer ist es Orpheus, ist es die Kunst, welche ihre melodischen Wogen, ihre gewaltigen Akkorde wie ein mildes, unwiderstehliches Licht über die widerstrebenden Elemente ergießt, die sich in der Seele jedes Menschen, und im Innersten jeder Gesellschaft im blutigen Kampf befehden. Orpheus beweint Eurydice, das Symbol des im Übel und im Schmerz untergegangenen Ideals. Es ist ihm vergönnt, sie den Dämonen des Erebus zu entreißen, sie heraufzubeschwören aus den Finsternissen der Unterwelt, nicht aber sie im Leben zu erhalten." Nach einigen präludierenden Arpeggien stimmt der (sich selbst begleitende) mythische Harfen- oder Leierspieler Orpheus ein Thema an, dessen Rhythmus den Namen Eurydike skandierend geradezu heraufbeschwört. Es erklingt zunächst in C-Dur, in einem zweiten Abschnitt in veränderter Gestalt in E-Dur und am Ende wiederum in C-Dur, nunmehr in triumphalem Fortissimo, bevor sich die Musik -der Sage entsprechend- in ätherischen Klängen entfernt. (www.rudolf-innig.de)