Orgelkonzert Krefeld
Lutherkirche
Sonntag, 1. November 2015, 17.00 Uhr
Programm
Georg Friedrich Händel Orgelkonzert B – Dur op. 4 Nr. 6 (1735/1887)
(1685 – 1759)
Allegro
Larghetto
Andante
Bearbeitung für Orgel Solo von Samuel de Lange (1840 – 1911)
Robert Schumann Vier Skizzen (1845)
(1810 – 1856)
Nicht schnell und sehr markiert
Nicht schnell und sehr markiert
Lebhaft
Allegretto
Anton Bruckner Vier Stücke für Orchester (1862)
(1824–1896)
Marsch (Allegro risoluto)
Moderato
Andante
Andante con moto
(Transkription für Orgel von Rudolf Innig)
Felix Mendelssohn Sonate f - Moll op. 65 Nr. 1 (1844)
(1809–1847)
Allegro moderato e serioso über den Choral:
"Was mein Gott will, das gescheh' allzeit"
Adagio
Andante recitativo
Allegro assai vivace
Rudolf Innig, Orgel
Gedanken zum Programm
Mit seinen sechs Orgelkonzerten op. 4 verband Georg Friedrich Händel im Jahre 1735 in London zwei Ziele: Sie waren einerseits als musikalische Intermezzi für das Publikum während der Pausen in seinen Opern und Oratorien gedacht, andererseits wollte und musste er seinen Ruf als einer der führenden Virtuosen in London festigen. Form und Stil dieser drei- bis viersätzigen Orgelkonzerte hatte er bereits früh in Italien (1706–1710) kennengelernt, zum Teil sind sie Umarbeitungen eigener Instrumentalwerke. Der Erfolg seiner Orgelkonzerte op. 4 war so groß, dass Händel bald eine weitere Sammlung von sechs Konzerten (op. 7) hinzufügte. Und am Ende des 18. Jh. waren seine Orgelkonzerte die am häufigsten gedruckten Werke überhaupt. Auch im 19. und 20. Jh. hielt die Begeisterung an: Mehrere englische und französische Komponisten schufen Fassungen für Orgel solo dieser ursprünglich für Orgel und Orchester gedachten Konzerte.
Die hier zu Beginn erklingende Bearbeitung des Konzertes B–Dur op. 4 Nr. 6 stammt von dem holländischen Komponisten Samuel de Lange (1840–1911), der Händels Musik im Geiste des 19. Jh. mit virtuosen Passagen und Kadenzen 'anreicherte'.
Auch Robert Schumann (1810-1856) teilte die Begeisterung für die Musik der alten Meister. Ihm war besonders Johann Seb. Bach ein leuchtendes Vorbild, dem er in seinen Sechs Fugen über den Namen BACH op. 60 im Jahre 1845 ein musikalisches Denkmal setzte. Im gleichen Jahr entstanden auch seine Vier Skizzen op. 58, Stücke verschiedenen Charakters, ursprünglich für seinen häuslichen Pedalflügel geschrieben, auf dem Schumann Orgel zu üben pflegte.
Anton Bruckner wurde 1837 im Alter von 13 Jahren im Chorherrenstift in St. Florian als Sängerknabe aufgenommen, nachdem seins Vater plötzlich gestorben war. In der dortigen Stiftskirche lernte er die große, dreimanualige Orgel kennen, die mit ihren 74 Registern zu den bedeutendsten Instrumenten in Österreich zählte. Während seiner Tätigkeit als Organist am Dom in Linz (1855-1868) vermittelte ihm der dortige Kapellmeister am Theater Otto Kitzler die entscheidenden Impulse zur Komposition sinfonischer Orchesterwerke. Die vier Orchesterstücke (WAB 96 und 97) sind die frühesten Kompositionen für Sinfonieorchester von Anton Bruckner. Sie entstanden zwischen dem 12. Oktober und 16. November 1862 im Rahmen der Zusammenarbeit mit Otto Kitzler, mit dem Bruckner zeit seines Lebens befreundet blieb. Es sind kurze Charakterstücke für sinfonisches Orchester, die zwar keinen inneren Zusammenhang aufweisen, aber von Beginn an interessante Einblicke in Bruckners kompositorisches Denken geben, das vom Orgelspiel her geprägt ist. Dies zeigt sich etwa in seiner Neigung, die einzelnen Orchestergruppen blockhaft (wie Orgelregister) zu verwenden, in der Tendenz, Motive durch Sequenzierung weiter zu führen, oft in Verbindung mit terrassenförmig angelegten Steigerungen (im Sinne von Manualwechseln) oder in übergangslosen dynamischen Kontrasten (als Möglichkeit zum Registerwechsel).
Felix Mendelssohn hatte mit der Aufführung der Matthäuspassion von Johann Seb. Bach im Jahre 1829 das wiedererwachte Interesse an der Musik des Leipziger Thomaskantors ausgelöst. Im Jahre 1845 gelang ihm mit der Veröffentlichung seiner Sechs Orgelsonaten op. 65 gleichzeitig in vier europäischen Musikverlagen ein weiterer spektakulärer Erfolg. Seine Orgelsonaten waren nicht nur etwas Neues, sondern auch etwas Neuartiges, eine zukunftsweisende Verbindung der von Kirche und Liturgie geprägten Tradition in der Orgelmusik und dem zeitgenössischen, von virtuoser Klaviermusik beeinflussten Stil. Aus heutiger Sicht kann man zugespitzt sagen, dass die Orgelmusik im 19. Jh. erst mit diesen Orgelsonaten von Felix Mendelssohn begann.
Die Sonate f–Moll op. 65 Nr. 1 ist mit ihren vier Sätzen die längste der sechs Sonaten. Die Formidee des ersten Satzes basiert auf einem Rezitativ aus der Matthäuspassion von J. S. Bach (O Schmerz, hier zittert das gequälte Herz), das ebenfalls in f–Moll steht. In dem breit angelegten Sonatensatz kontrastiert das ernste Hauptthema, das erst nach einer zehntaktigen Einleitung im Fortissimo und Allegro moderato e serioso einsetzt, mit dem Seitensatz, der im Piano den Choral Was mein Gott will, das gescheh’ allzeit zitiert. Wie zur Beruhigung antwortet auf diesen dramatischen Beginn der zweite Satz Adagio in As–Dur mit einem Lied ohne Worte. Der dritte Satz greift den Kontrast des Anfanges wieder auf und stellt in einem Dialog (Andante recitativo) einzelne, individuelle Stimmen dem kollektiven Fortissimo der Orgel gegenüber. Erst das Finale bringt endlich, verbunden mit einem Tonartwechsel nach F–Dur, die Auflösung dieser Spannungen und führt in virtuosen Passagen zu einer hymnischen Schlusssteigerung, in der Motive aus dem Hauptthema des ersten Satzes, nun nach Dur gewendet, anklingen. (www.rudolf-innig.de)