Luther-Kirche
Wuppertal
Samstag, 1. Dezember 2018, 19.15 Uhr
Programm
Johann Seb. Bach Drei Choralbearbeitungen über 'Nun komm der Heiden Heiland' aus den
(1685-1750) Achtzehn Leipziger Chorälen
In Organo Pleno BWV 661 (Canto fermo in Pedal)
Trio a due Bassi e Canto fermo BWV 660
Olivier Messiaen Orgelzyklus 'La Nativité du Seigneur' (1935)
(1908-1992)
- La Vierge et l' Enfant -Die Jungfrau und das Kind
„Empfangen von einer Jungfrau, ist uns ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben. Freue dich, Tochter Zion! Siehe, dein König kommt zu dir, gerecht und
bescheiden” (Jesaja 9, 6, Zacharias 9, 9).
- Les Bergers - Die Hirten
“Nachdem sie das Kind in der Krippe gesehen hatten, kehrten die Hirten wieder um und priesen und lobten Gott” (Lukas II, 20)
- Desseins éternels - Ewige Ratschlüsse
“Gott hat uns in seiner Liebe dazu bestimmt, seine Adoptivsöhne zu sein, durch Jesus Christus, zum Lobe der Herrlichkeit seiner Gnade” (Epheser 1, 5-6)
- Le Verbe - Das Wort
“Der Herr hat zu mir gesagt: Du bist mein Sohn. Aus seinem Herzen hat er mich gezeugt, ehe das Morgenrot war. Ich bin das Wort des Lebens, von Anfang
an.” (Psalm 2, 7 und 110, 3; Weisheit 8, 22; 1. Johannes 1, 1)
- Les Enfants de Dieu - Die Kinder Gottes
“Allen denen, die es aufgenommen haben, hat das Wort die Macht gegeben, Gottes Kinder zu werden. Und Gott hat in ihre Herzen den Geist seines Sohnes
gegeben, der ruft: Vater, Vater!” (Johannes 1, 12; Galater 4, 6).
- Les Anges -Die Engel
“Die himmlischen Heerscharen lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe!” (Lukas II, 13-14)
- Jésus accepte la souffrance - Jesus nimmt das Leiden an
“Jesus spricht bei seinem Kommen in die Welt zu seinem Vater: Brandopfer und Sühneopfer hast du nicht angenommen, einen Leib aber hast du mir
gegeben. Hier bin ich!” (Hebräer 10, 5-7)
- Les Mages - Die Weisen
“Die drei Weisen zogen fort, und der Stern ging vor ihnen her". (Matthäus 2, 9)
- Dieu parmi nous - Gott unter uns
“Worte des Kommunizierenden, der Jungfrau, der gesamten Kirche: Der, der mich geschaffen hat, hat in meinem Zelt geruht, das Wort ist Fleisch geworden
und es hat in mir gewohnt. Meine Seele preist den Herrn und mein Geist hat vor Freude über Gott meinen Erlöser gezittert”. (Kirchengeschichte XXIV 8;
Johannes 1, 14; Lukas 1, 46 47).
Rudolf Innig, Orgel
(www.rudolf-innig.de)
Gedanken zur Musik
Die Achtzehn Choräle gehören zu den letzten Werken Johann Sebastian Bachs, sie entstanden in Leipzig am Ende seiner Tätigkeit als Kantor an der Thomaskirche. Wie schon in seinen zuvor veröffentlichten Clavierübungen I-IV überarbeitete er auch hier frühere Werke, um sie in einer größeren Einheit in Reinschrift als Druck herauszugeben.
Diese achtzehn exemplarischen Choralbearbeitungen für Orgel geben auch heute noch einige Rätsel auf: So stammt die Bezeichnung nicht von Bach selbst (das Titelblatt hatte er in der Reinschrift frei gelassen), möglicherweise sollte diese Sammlung noch einen größeren Umfang annehmen. Fest steht jedoch, dass Bach in seiner markanten, gut leserlichen Handschrift mit einer Fantasie über Komm, heiliger Geist, Herre Gott begann, die letzten drei Choralbearbeitungen aber wegen seiner zunehmenden Erblindung nicht mehr selbst schreiben konnte. Deshalb hat er sie "einem seiner Freunde in die Feder dictiret", zuletzt eine neue Bearbeitung des Choralvorspiels Wenn wir in höchsten Nöten sein, das nun den Titel Vor Deinen Thron tret ich hiermit trägt.
In der Mitte der Sammlung stehen drei Bearbeitungen des Liedes Nun komm der Heiden Heiland, Musterbeispiele der stilistischen Vielfalt und der unglaublichen Souveränität, mit der sich Bach hier kompositorisch bewegte. Einzigartig unter seinen über 100 Choralbearbeitungen für Orgel das Trio a due Bassi e Canto fermo BWV 660, die Kombination zweier konzertierender Bassstimmen (!) mit der Choralmelodie im Diskant. Diese erscheint jeweils genau an den Stellen, an denen man im Konzertsatz solistische Episoden erwartet.
Olivier Messiaen (geb. 1908) wurde bereits mit 12 Jahren als Jungstudent am Conservatoire in Paris angenommen, das Studium dort absolvierte er nach neun Jahren mit überragendem Erfolg. 1931 wurde er im Alter von 23 Jahren zum Titularorganist an der Pariser Hauptkirche St. Trinité ernannt, eine Tätigkeit, die er bis 1991 (60 Jahre lang!) ausübte.
Die Uraufführung des neunsätzigen Orgelzyklus La Nativité du Seigneur im Februar 1936 (durch die befreundeten Organisten Yves Daniel-Lesur, Jean Langlais und Jean-Jaques Grunenwald) machte den gerade 27jährigen Olivier Messiaen schlagartig bekannt, denn der erste große Orgelzyklus des jungen Komponisten erregte nicht nur wegen seiner neuartigen Musik, sondern auch wegen seiner kompositionstechnischen Neuerungen Aufsehen:
Messiaen verwendet hier Rhythmen, die den herkömmlichen Takt außer Kraft setzen (Rhythmen mit ungenauen Vergrößerungen und Verkleinerungen oder 'hinzugefügten' Werten), vor allem aber ein neuartiges Fundament für die tonale Organisation seiner Musik, die Modi mit begrenzter Transpositionsmöglichkeit. Dabei handelt es sich um Tonskalen, die es ihm ermöglichen, in seiner Musik einen Schwebezustand zu erzeugen, in dem die Tonalität weder eindeutig aufgegeben noch eindeutig festgehalten wird, eine 'tonale Allgegenwart', wie er es später in seinem theoretischen Werk Technik meiner musikalischen Sprache genannt hat.
Im Vorwort beschreibt er ebenfalls die dem Stück zugrundeliegenden fünf Hauptgedanken:
- Unsere Vorherbestimmung, verwirklicht durch die Inkarnation des Wortes (Nr. 3)
- Gott, der mitten unter uns lebt (Nr. 9),
- Gott, der leidet (Nr. 7)
- Die drei Geburten: die ewige des Wortes (Nr. 4), die zeitliche Christi (Nr. 1), die geistliche der Gläubigen (Nr. 5)
- Gestalten der Weihnachtsgeschichte und der Epiphanie: die Engel (Nr. 6), die Hirten (Nr. 2), die Weisen (Nr. 8)
- Ehrung der Mutterschaft Mariens, die durch die Anzahl von neun Sätzen zum Ausdruck kommt.
Seine Klangästhetik umschrieb Olivier Messiaen in seinem Buch Technik meiner musikalischen Sprache (1944) mit den poetischen Worten, er strebe eine Musik an, "die singt, eine Musik, die ein neues Blut, eine zeichenhafte Geste, ein unbekannter Duft, ein Vogel ohne Schlaf sein soll. Eine Kirchenfenster-Musik, ein Kreisen von komplementären Farben. Eine Musik, die das Ende der Zeit, die Allgegenwart, die verklärten Leiber und die göttlichen wie übernatürlichen Mysterien ausdrückt. Einen theologischen Regenbogen" …
(www.rudolf-innig.de)